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Anlaufstelle, für Männer* und TIN*, die in Kindheit, Jugend oder als Erwachsene sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren

© 2015 Tauwetter e.V.

Das Konzept der Anlaufstelle Tauwetter ist im Zuge des Antrags auf Finanzierung durch den Berliner Senat überarbeitet worden. Auch wenn manches eventuell sich wiederholt und die Aufteilung manchen vielleicht nicht einleuchtet, möchten wir, um Transparenz zu ermöglichen, das Konzept hier vorstellen. Zentraler Bezugspunkt ist übrigens der betroffenenkontrollierte Ansatz, der auf einer gesonderten Seite vorgestellt wird.

Das Konzept wird derzeit überarbeitet, da wir uns explizit auch für Männer*, die als Erwachsene sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren und für TIN*, die in Kindheit, Jugend oder als Erwachsene sexualiserter Gewalt ausgesetzt waren geöffnet haben. Wir haben beide Gruppen zwar schon länger beraten, mit der Sichtbarmachung dieses Angebots wird jetzt aber auch notwendig, sie gesondert ins Konzept aufzunehmen. Bis wir das fertig haben, steht hier erst mal noch das alte Konzept.

Konzept der Anlaufstelle Tauwetter, für Männer*, die in Kindheit oder Jugend  sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren

1. Der Träger

Träger der Anlaufstelle Tauwetter ist der Verein „Tauwetter, vereint gegen sexualisierte Gewalt e.V.“. Zweck des Vereins ist:
„die Unterstützung von Opfern sexualisierter Gewalt, insbesondere von Männern, die als Junge von Tätern oder Täterinnen sexuell missbraucht wurden“
(Auszug aus der Vereinsatzung).
Der Verein betreibt zu diesem Zweck eine Anlaufstelle für Männer*, die als Junge Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind. (Der Begriff Anlaufstelle wird benutzt, weil er für Nutzer*innen einen niedrigschwelligen Zugang ermöglicht. Die Tätigkeit der Anlaufstelle geht selbstverständlich darüber hinaus, einen reinen Treffpunkt darzustellen, die Anlaufstelle übernimmt die Aufgaben einer Fachstelle zum Thema sexualisierte Gewalt mit der Zielgruppe erwachsene Männer*.)
Der Verein wurde 1999 in das Vereinsregister eingetragen und ist als gemeinnützig anerkannt. Schon vorher, seit 1995, haben die Gründungsmitglieder Selbsthilfegruppen organisiert und begleitet.

1.1 Leitbild des Trägers

Der Verein verfügt über ein schriftlich festgehaltenes Leitbild:
„Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch qua Existenz das unveräußerliche Recht auf körperliche und psychische Integrität und Unversehrtheit hat. Wir wenden uns demzufolge gegen jedwede Form von sexualisierter Gewalt, egal von wem gegen wen. Wir treten ein für die sexuelle Selbstbestimmung aller Menschen von Geburt an.
Wir wissen, dass sexualisierte Gewalt nicht nur ein individuelles Problem der jeweilig Betroffenen ist, sondern ein gesellschaftliches. In dieser patriarchalen Gesellschaft ist sie eng mit Hegemoniestreben und Dominanzverhalten verwoben. Erst durch das Zusammenkommen von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, individuellen Motivationen und konkreten Möglichkeiten entsteht sexualisierte Gewalt. Wir halten es deshalb für notwendig, sowohl die Betroffenen direkt zu unterstützen, als auch zu versuchen gesellschaftlich zu wirken, um die Rahmenbedingungen zu verändern und präventiv die Möglichkeiten für Täter(innen) einzuschränken. Wir begreifen unsere Arbeit als parteilich in dem Sinne, dass wir für die Opfer Partei ergreifen, wohl wissend, dass Opfer- oder Täter-Sein kein lebenslanger Zustand, sondern an konkrete Handlungen gebunden ist.
Wir halten eine klare Trennung zwischen Unterstützungsarbeit für die Opfer und Täter(*innen)arbeit für notwendig. Wir machen bei Tauwetter keine Täter(*innen)arbeit.
Wir gehen davon aus, dass es grundsätzlich möglich ist, die erlebte sexualisierte Gewalt dergestalt zu verarbeiten, dass sie und die Folgen nicht mehr das Leben bestimmen, sondern zu einem von vielen Teilen der Biographie werden, wenn es auch unter Umständen ein sehr schmerzhafter Teil bleibt. Wir wissen, dass dieser Weg prinzipiell jedem Menschen möglich ist, vorausgesetzt, er/sie hat den Zugang zu den dafür notwendigen Ressourcen. Tauwetter versucht Männern*, die als Junge* sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, diesen Zugang zu erleichtern. Wir wissen, dass jeder Mensch einzigartig ist. Wir versuchen ihn/sie in unserer Arbeit in seiner/ihrer individuellen Vielfältigkeit, seiner/ihrer Herkunft und Kultur, mit seiner/ihrer sexuellen Orientierung, den weltanschaulichen Überzeugungen, den Eigenheiten und persönlichen Handicaps zu respektieren und zu achten. Wir wenden uns gegen diskriminierende und menschenverachtende, z.B. rassistische oder sexistische Einstellungen.“

1.2 Projektübergreifendes Qualitätsmanagement des Trägers
1.2.1. Qualitätssicherung durch Leitbild und Richtlinien

1. Der Trägerverein macht mit dem Leitbild eine allen Mitarbeiter*innen bekannte, klare Vorgabe, welche die Haltung beschreibt, die von den einzelnen Mitarbeiter*innen als Grundlage der Tätigkeit gefordert wird. Dieses Leitbild ist Teil der Arbeitsverträge und über die Website für alle Nutzer*innen einsehbar und transparent.

2. Ferner gelten für alle Mitarbeiter*innen Richtlinien, welches Verhalten und welche Handlungen nicht zulässig sind. Ergänzend sind die Rechte der Nutzer*innen explizit beschrieben. Diese „Rechte der Ratsuchenden / Pflichten der bei Tauwetter Tätigen“ sind ebenfalls Teil der Arbeitsverträge und werden den Nutzer*innen ergänzend zur Homepage durch Aushang in den Räumen von Tauwetter bekannt gemacht.

1.2.2 Beschwerdemanagement

Für Fälle der Verstöße gegen die „Rechte und Pflichten“, aber auch für Beschwerden anderer Art gibt es ein Beschwerdemanagement. Ansprechpartner ist der Vereinsvorstand. Satzungsgemäß ist eine Mitgliedschaft im Verein von Personen, die in der Anlaufstelle tätig sind, ausgeschlossen, so dass Interessenkollisionen vermieden werden und der Vereinsvorstand unabhängig bleibt. Der Vorstand ist u.a. durch einen anonym zugänglichen Briefkasten und per Mail erreichbar, er stellt sich den Mitgliedern der Selbsthilfegruppen auf einem jährlichen Treffen vor.
Er ist verpflichtet, Beschwerden nachzugehen, sie sorgfältig zu prüfen und ggf. auch arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ziehen. Zu diesem Zweck hört er beide Seiten an, zieht ggf. weitere Quellen oder Informationen hinzu und bildet sich ein Urteil. Dieses teilt er allen Beteiligten mit. Das konkrete Vorgehen ist in einem gesonderten „Verfahrensablauf Beschwerdemanagement“ festgelegt. Zur Unterstützung für die Beschwerde Führenden und / oder für sich kann er eine externe Beratungsstelle hinzuziehen.

1.2.3 Personalentwicklung

Die Mitarbeit sämtlicher bei Tauwetter Tätigen, egal ob ehrenamtlich, in Honorartätigkeit oder Festangestellte, ist durch schriftliche Arbeits- bzw. Ehrenamtsverträge geregelt. In diesen sind u.a. das erwähnte Leitbild und die „Rechte und Pflichten“ verankert. Ferner ist eine Entbindung eines eventuellen vorherigen Arbeitgebers von der Schweigepflicht bezüglich des Vorkommens oder einer Vermutung auf sexuelle Grenzverletzungen, Übergriffe oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, sowie die Verpflichtung zur Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses enthalten. Ebenfalls wird in den Arbeitsverträgen eine fachlich angemessene Regulierung von Nähe und Distanz zu den Nutzer*innen eingefordert.
Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter*innen ist nicht nur die klare Positionierung derselben gegen sexualisierte Gewalt Bedingung. Es wird darüber hinaus die Bereitschaft zur permanenten Weiterqualifizierung und Selbstreflektion des eigenen Verhaltens und der eigenen Rolle erwartet.
Die Qualitätssicherung durch Mitarbeiter*innenqualifikation, sowie die weiteren Maßnahmen zur Sicherung der Prozess- und Ergebnisqualität sind projektbezogen geregelt.

2. Konzept des durch Zuwendung aus dem IGP finanzierten Projektes

2.1 Ausgangslage für die Projektarbeit
2.1.1 Die Situation von Jungen und männlichen Jugendlichen, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind

Zahlreiche Jungen* müssen in ihrer Kindheit oder Jugend sexualisierte Gewalt in Form von sexuellen Grenzverletzungen, Übergriffen oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erleben.
In Studien schwanken seit Jahren die Prävalenzzahlen für sexuellen Missbrauch vor dem 14. bzw. 16. Lebensjahr zwischen 5% und 10% . Wenn Volljährigkeit als Altersgrenze zugrunde gelegt wird, und wenn sämtliche Formen sexualisierter Gewalt einbezogen werden, ist von nochmals mehr Betroffenen auszugehen. Wir müssen annehmen, dass mindestens jeder achte bis zwölfte Junge* und/oder männliche* Jugendliche vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres Opfer sexualisierter Gewalt wird. Von der Gesamtheit der Kinder, die sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind, ist schätzungsweise ein Drittel männlich*.
Die meisten dieser Jungen* und männlichen* Jugendlichen erhalten keine zeitnahe adäquate Hilfe. Dies hat zweierlei Ursachen:

a) Die Täter(*innen) achten darauf, dass sexualisierte Gewalt im Verborgenen stattfindet und dort verbleibt. Viele betroffene Jungen* trauen sich aus Loyalitätskonflikten, aus Scham und aus der Angst, als unmännlich eingestuft zu werden, nicht die sexualisierte Gewalt aufzudecken. Es fehlen auch Ansprechpartner*innen um darüber zu berichten, was ihnen passiert ist.
„Es gibt Hinweise, dass Geschlecht und Alter insofern interagieren, als mit zunehmendem Alter die jeweils geschlechtsspezifischen Sozialisationsvorgaben an Relevanz gewinnen. Dies bedeutet, u.a. dass die Unvereinbarkeit von Männlichkeit und Hilfebedürftigkeit in der subjektiven Wahrnehmung heranwachsender Jungen zunehmend handlungsleitend wird“ (DJI Forschungsbericht).
Nur ein Bruchteil der stattfindenden sexualisierten Gewalt wird während der Kindheit oder Jugend insofern erfolgreich aufgedeckt, als dass die sexualisierte Gewalt dadurch beendet wird .

b) Aber auch wenn sexualisierte Gewalt aufgedeckt wird, gibt es für die betroffenen Jungen* und männlichen* Jugendlichen kein ausreichendes Hilfsangebot: „Zugleich zeigt sich, dass besonders für Jungen und Männer [...] Beratungsangebote fehlen.“ (Abschlussbericht Runder Tisch). Es gibt „kaum oder zu wenig Angebote für in der Kindheit betroffene Erwachsene sowie für Jungen und Männer“ (Abschlussbericht Unabhängige Beauftragte).
„Einrichtungen, die auf die Zielgruppe Jungen und Männer spezialisiert sind, gibt es wenig. Jungen werden durch die Einrichtungen für Kinder und Jugendliche versorgt, Männer bleiben weitgehend unversorgt.“ (Abschlussbericht Bestandsaufnahme spezialisierte Beratungsangebote).

Insofern gibt es zahlreiche Faktoren, die einer erfolgreichen zeitnahen Bearbeitung entgegenstehen. Konsequenz daraus sind oftmals kurzfristig orientierte Bewältigungsstrategien. Meist ist integraler Bestandteil dieser Bewältigungsstrategien, dass die Gewalt einer Bearbeitung vorübergehend oder dauerhaft unzugänglich wird (z.B. durch „vergessen“, verdrängen, umdeuten).
Diese Strategien sind oftmals kulturell gebunden, da Männlichkeitskonstruktionen vielfältig und keineswegs monolithisch sind . Deshalb gibt es eine große Notwendigkeit auch in der späteren Arbeit mit betroffenen Männern* differenziert und kultursensibel vorzugehen.

Aber selbst jene Jungen* und männlichen* Jugendlichen, die zeitnah Hilfe erhalten, haben aufgrund der Begrenztheit der Möglichkeiten der Unterstützung für Kinder und Jugendliche später im Erwachsenenalter noch einen Bearbeitungsbedarf.
„Interventionen bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch an Kindern haben mehrere Ziele. Der Verdacht soll möglichst schnell und eindeutig geklärt werden und geeignete Schutzmaßnahmen sollen eingeleitet werden, die weitere Missbrauchshandlungen verhindern. Es geht aber auch darum, mit Hilfen ‚negative Folgen eines erlebten sexuellen Missbrauchs für das betroffene Kind‘ (Kindler & Schmidt-Ndasi, 2011, S. 70) möglichst abzumildern“ (DJI-Forschungsbericht).
Sexualisierte Gewalt ist nun aber keine Krankheit, sondern ein Lebensereignis, dessen Folgen sich im Laufe der Entwicklung auf eine schwer prognostizierbare Weise manifestieren. Diese Situation setzt allen Versuchen, prophylaktisch Spätfolgen durch Hilfe vorzubeugen, enge Grenzen.
„Die Folgen sexualisierter Gewalt manifestieren sich deutlich vielfach erst im Übergang zum Erwachsenenalter oder noch später. Dies kann durch kumulative Effekte wiederholter Belastungen bedingt sein [...] in der Kindheit können sich tragbare Bewältigungsmechanismen ausbilden, die sich dann aber für neue Entwicklungsanforderungen als dysfunktional erweisen“ (DJI-Forschungsbericht).

Darüber hinaus kann eine Bearbeitung der sexuellen Gewalt vor allem im Kindes-, aber auch im Jugendalter, nur innerhalb des jeweiligen kognitiven Entwicklungsstandes erfolgen. Im Regelfall erfolgt ein Erkennen, eine Einordnung und eine Bewertung der sexuellen Gewalt, die wichtige Schritte einer Bearbeitung sind, erst im Erwachsenenalter. Dieser Effekt wird durch die genderspezifischen Geschlechtskonstruktionen bei männlichen* Jugendlichen und jungen männlichen* Heranwachsenden verstärkt. Ihnen zufolge kann ein „richtiger Mann“ kein Opfer sein. Wer die erlebte sexualisierte Gewalt verdrängen muss, um nicht als „unmännlich“ zu gelten, kann diese dann auch nicht unvoreingenommen einordnen und bewerten.
All dies sind Gründe, warum eine Anlaufstelle für erwachsene Männer*, die in Kindheit oder Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, dringend notwendig ist.

2.1.2 Die Situation erwachsener Männer*, die als Junge Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind

Am 31.12.2015 betrug die Zahl der in Berlin lebenden volljährigen Männer* 1,44 Millionen . Entsprechend der unter 2.1.1 genannten Schätzung (8 – 12%) ist von mindestens 120.000 – 180.000 Männern* auszugehen, die in Kindheit oder Jugend Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind. Die meisten von ihnen haben zu keinem Zeitpunkt einen Zugang in das psychosoziale Hilfesystem gefunden. Diejenigen, die einen solchen Zugang gefunden haben, haben zumeist keine passende Unterstützung bekommen. Auch wenn mit Sicherheit nicht alle Betroffenen auf eine solche Unterstützung angewiesen sind, ist diese Nicht-Zur-Verfügung-Stellung von Hilfe als Verweigerung des in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Artikel 25.1 verbrieften Rechtes auf „ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen“ anzusehen.
Erwachsene betroffene Männer* haben also meist gar nicht oder lange nicht über die sexualisierte Gewalt geredet. Im Regelfall verfügen sie lange Zeit nur über fragmentierte, punktuelle Erinnerungen, häufig verdrängen sie auch diese und nehmen Umdeutungen vor. Auf diese Weise wird die sexualisierte Gewalt einer Bearbeitung unzugänglich.
Diese fehlende Bearbeitung hat oftmals gesundheitliche Auswirkungen, die sich im Laufe der Zeit chronifizieren. Dazu zählen natürlich die bekannten Traumafolgeschäden. Im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt ist aber insbesondere noch die grundlegend angegriffene Selbstwahrnehmung zu nennen – sexualisierte Gewalt stellt eine Reduzierung auf ein Objekt und damit eine Negierung des Menschseins dar –, die sich vielfach in einem gestörten Selbstwertgefühl und Selbstbild, Resignation und depressiven Episoden äußert. Bei sexualisierter Gewalt durch Vertrauenspersonen (seien es bspw. die Eltern oder Bezugspersonen in Heimen) wirken die Verratsdimension und das erschütterte Grundvertrauen in andere Menschen verschärfend. Auch Auswirkungen auf die spätere ökonomische Lage müssen einbezogen werden . Ferner gilt es bei männlichen* Betroffenen jene Problematiken ins Auge zu fassen, die sich aus den genderspezifischen Aspekten ergeben:

  • Die bereits erwähnte Notwendigkeit zur Umdeutung, Leugnung, Verdrängung, usw. um nicht unmännlich zu sein, hat in vielen Fällen die Konsequenz einer verstärkten Ausbildung von körperlichen Folgeerscheinungen (Somatisierung).
  • Der Versuch den „unmännlichen“ Makel durch Kompensation auszugleichen, führt vielfach zu Überlastung und Erschöpfungsverläufen.
    Eine Auflösung der Unzugänglichkeit der sexualisierten Gewalt für eine Bearbeitung erfolgt im Regelfall durch Nachlassen der Notwendigkeit dieser Unzugänglichkeit (zunehmende Sicherheit ermöglicht das Zulassen von Verunsicherungen) und dann einem oder mehreren auslösenden Ereignissen, die von dem Thematisieren in einem Fernsehbeitrag bis zu eigenen Kindern im entsprechenden Alter, aber auch Reviktimisierungen reichen können.

Neben den individuellen Folgen hat sexualisierte Gewalt aber auch gesamtgesellschaftliche Konsequenzen. Allein die volkswirtschaftlichen Folgen sexualisierter Gewalt insgesamt (und somit auch gegen männliche Opfer) schlagen sich vor allem – aber nicht nur – in den Kosten des Gesundheitswesens nieder. Nach der deutschen Traumafolgekosten (Habetha et al. 2012) „ergibt sich jedes Jahr ein Betrag von 11,0 Mrd. Euro, der durch die Folgen von Kindesmisshandlung/-missbrauch und Vernachlässigung für die deutsche Gesellschaft
anfällt.“ Wie groß der Anteil der durch die Folgen sexualisierter Gewalt entstehenden gesellschaftlichen Kosten ist, ist nicht gesondert ausgewiesen.

2.1.3 Konsequenzen für eine effektive Unterstützung der Bearbeitung sexualisierter Gewalt

Um eine selbstbestimmte Bearbeitung sexualisierter Gewalt durch männliche* Betroffene zu ermöglichen, braucht es demzufolge dreierlei:

1. Die Bewusstwerdung der sexualisierten Gewalt

Die Selbstwahrnehmung der Betroffenen als Betroffene sexualisierter Gewalt mit Unterstützungsbedarf (auch als „Bewusstwerdung“ bezeichnet) ist ein erster wichtiger Schritt. Dies beinhaltet bei fast allen Männern* die Bereitschaft, das Klischee „Männer - und damit auch Jungen - werden keine Opfer sexualisierter Gewalt“ bzw. sexualisierte Gewalt macht unmännlich“ zu hinterfragen.
„Um eine gezielte Beratung zu erhalten, müssen diejenigen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, den Missbrauch zunächst aufdecken und für sich klar benennen können“ (DJI Forschungsbericht) .
Ein nicht geringer Anteil betroffener Männer* oder Jungen* hat zwar wegen diverser unspezifischer Symptome Kontakt mit dem Hilfesystem, die fehlende Aufdeckung sexualisierter Gewalt verhindert aber eine Bearbeitung.

2. Ein passendes Angebot

Männliche* Betroffene, die vor einer Bearbeitung stehen benötigen ein Unterstützungsangebot, das für den jeweiligen Betroffenen angemessen und für seine spezifische Situation passend ist. Ein solches Angebot muss nicht nur niedrigschwellig sein, damit ein Zugang möglich ist, es muss dort nicht nur Fachkenntnis aus der Psychotraumatologie vorhanden sein, sondern es muss auch den Betroffenen weitest gehende Möglichkeiten der Selbstbestimmung bieten und Raum für die Auseinandersetzung mit genderspezifischen Bewältigungsstrategien zur Verfügung stellen.
Wichtig ist ferner die schnelle und unmittelbare Verfügbarkeit.
„Vielfach geht es zunächst um eine elementare Stabilisierung und darum, dass die Betroffenen eine erste Orientierung dahin gehend erhalten, welche Formen der Hilfe für sie überhaupt angemessen bzw. verfügbar sind. Akute Krisenintervention und sozialarbeiterische Hilfestellungen scheinen in dieser Phase von besonderer Bedeutung zu sein. Probleme ergeben sich in diesem Zusammenhang aber dadurch, dass unmittelbare Interventionen aufgrund der oft hohen Belastung der Betroffenen auf Seiten der Beratungseinrichtungen einen hohen Ressourcenaufwand erforderlich machen, der im ‘Alltagsgeschäft‘ nicht ohne Weiteres zu leisten ist“ (DJI Forschungsbericht)

3. Das Wissen um dieses Angebot

Wissen auf Seiten der Betroffenen um eine solches Unterstützungsangebot und Möglichkeiten des Zugangs zu diesem. Hierbei spielt u.a. das Umfeld der Betroffenen, aber auch das existierende Hilfesystem eine wichtige Rolle. Kindler weist deshalb auf zwei Funktionen hin, welche neben dem eigentlichen Unterstützungsangebot für Betroffene notwendigerweise von Fachstellen wie der Anlaufstelle übernommen werden müssen:

  • „Boost“: Bemühungen, das Thema im öffentlichen und fachöffentlichen Bewusstsein immer wieder aufs Neue zu aktualisieren, z.B. durch Veranstaltungen, Kampagnen, gezielte Ansprache […] Hierdurch wird die Selbstwahrnehmung der Betroffenen gestärkt, Aufdeckungsprozesse werden gefördert und das Wissen um Unterstützungsmöglichkeiten gemehrt.
  • „Standby-expertise“: Die Verfügbarkeit von spezialisierter Hilfe als Signal, z.B. an Einrichtungen des psychosozialen Hilfesystems, dass fachliche Unterstützung angeboten werden kann, wenn sich der Bedarf danach ergibt. Dies erleichtert es sowohl Mitarbeiter*innen von Einrichtungen, als auch dem unmittelbaren Umfeld die Situation der Betroffenen wahrzunehmen und diese zu unterstützen, oder ggf. weiter zu verweisen.
2.2 Zielsetzung
2.2.1 Allgemeine Ziele einer Anlaufstelle für Männer*, die in Kindheit oder Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren

Allgemeines Ziel einer Anlaufstelle für Männer*, die in Kindheit oder Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren ist es, sowohl betroffene Männer* dabei zu unterstützen, die sexualisierte Gewalt und die aus ihr resultierenden Probleme dergestalt zu bearbeiten, dass für sie ein zufriedenstellender Umgang damit und ein befriedigendes Leben möglich werden, als auch zur Reduzierung der Häufigkeit sexualisierter Gewalt beizutragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ergeben sich nach den oben vorgenommenen Überlegungen drei Tätigkeitsbereiche:

Tätigkeitsbereich 1: Arbeit mit den Betroffenen und ihrem Umfeld

Kern der Tätigkeiten von der Anlaufstelle ist das Unterstützungsangebot durch Information, Beratung und Selbsthilfe sowohl schwerpunktmäßig für Männer*, die von sexualisierter Gewalt in Kindheit oder Jugend betroffen sind, als auch für das unterstützende Umfeld (bspw. Partner*innen, Freunde, Familie).
In diesem Kontext haben bei Tauwetter sowohl der betroffenenkontrollierte Ansatz, als auch die Selbsthilfearbeit zentrale Bedeutung. Wie erwähnt bedeutet sexualisierte Gewalt für viele Betroffene die Reduzierung auf ein Objekt, das der/die Täter(innen) wie einen Gegenstand benutzen können. Bearbeitung sexualisierter Gewalt muss also von Anfang an die Wiedererlangung der Subjekthaftigkeit und der Handlungsfähigkeit in den Vordergrund stellen, welches besonders mit dem betroffenenkontrollierten Ansatz und der Selbsthilfearbeit verbunden ist. Unterstützung durch Beratung beinhaltet neben telefonischer und schriftlicher (email) Beratung die Möglichkeit zu einer zeitnahen Face-to-Face-Beratung für möglichst viele Betroffene aus Berlin. Dazu gehören auch Angebote in Beratung mit (Gebärden-)dolmetscher*innen für diejenigen, die der deutschen (Laut-)sprache nicht mächtig sind, ein möglichst barrrierearmer Zugang zur Anlaufstelle, sowie aufsuchende Beratung für Menschen, die nicht ausreichend mobil sind, die Anlaufstelle selber aufzusuchen.
Das Selbsthilfeangebot muss ermöglichen, dass interessierte betroffene Männer* innerhalb eines akzeptablen Zeitraums mit der Selbsthilfegruppenarbeit beginnen können. Dazu ist es erfahrungsgemäß sinnvoll jedes Halbjahr eine neue Selbsthilfegruppe zu starten.
Es gilt grundlegend das Angebot einer Selbsthilfegruppe für Partner*innen betroffener Männer* zu machen, auch wenn der Bedarf nach einer solchen starken Schwankungen unterliegt.

Tatigkeitsfeld 2: Boost

Das Konzept des Boost ist oben bereits skizziert worden: Damit das Unterstützungsangebot angenommen werden kann, muss auf die Betroffenen und ihr Umfeld zugegangen werden. Das Thema ist ein unangenehmes und wird regelmäßig wieder verschwinden (Wellenbewegung in der öffentlichen Auseinandersetzung).
Zu den Aufgaben einer Fachstelle für männliche* Betroffene, wie die Anlaufstelle eine darstellt, gehört das Thema sexualisierte Gewalt kontinuierlich in die Öffentlichkeit zu transportieren und für Betroffene besprechbar machen . Dabei sind zwei Botschaften von zentraler Bedeutung für Männer*:

  • Sexualisierte Gewalt ist kein Einzelfall (Aufhebung der Isolation, des Gefühls der Ausgrenzung)
  • Sexualisierte Gewalt ist eine Handlung mit Folgen, die sich überwinden lassen und kein lebenslängliches Opferschicksal (Ermutigung zur Bearbeitung)

An diesem Punkt können Mitarbeiter*innen von Fachstellen, die selber sexualisierte Gewalt erlebt und diese erfolgreich bearbeitet haben, als Orientierung wichtige Funktionen übernehmen. Manchmal können durch diese Tätigkeit auch Prozesse abgekürzt und durch Infoweitergabe sogar weitergehende Beratung überflüssig werden. Öffentliche Sichtbarkeit und Auftritte, Informationsveranstaltungen, Interviews und Zeitungsartikel eröffnen darüber hinaus denjenigen Betroffenen, die sich eine offene persönliche Kontaktaufnahme nicht zutrauen, Möglichkeiten eines von ihnen kontrollierten, vorsichtigen Zugangs.
Öffentlichkeitsarbeit für das Angebot der Anlaufstelle muss deshalb immer mehr sein, als ein reines Aufmerksam-machen auf die angebotenen Möglichkeiten. Sie muss immer auch versuchen, das Thema in den öffentlichen Diskurs zu tragen und über einzelne wichtige Aspekte breit aufzuklären. Dazu sind immer wieder bewährte mit neuen Methoden zu kombinieren. Das wiederholte Thematisieren der vielfältigen Aspekte männlicher* Betroffenheit von sexualisierter Gewalt im öffentlichen Diskurs erhöht die Aufmerksamkeit des persönlichen Umfeldes für eine potentielle Betroffenheit von Männern* (und Jungen*).
Das Engagement in den verschiedenen Gremien in Berlin, in denen zum Thema gearbeitet wird, sowie das Einbringen neuer Entwicklungen und Erkenntnisse in solche Runden, tragen zu einer ähnlichen Erhöhung der Aufmerksamkeit der professionell im psychosozialen Hilfesystem Tätigen bei. Beides, die Unterstützung durch das Umfeld und/oder durch im psychosozialen Feld Tätige, ist oftmals existentiell für betroffene Männer*, um passende Unterstützung zu finden, z.B. durch Kontaktaufnahme mit Tauwetter.
Des Weiteren ist Boost ein zentrales Element zur Reduzierung sexualisierter Gewalt durch eine positive Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins über sexualisierte Gewalt.

Tätigkeitsbereich 3: Standby-Expertise

Um einen betroffenen Mann* an eine spezialisierte Anlaufstelle weiter verweisen und so einerseits als Multiplikator*in für diesen tätig sein zu können, um einen betroffenen Mann* in der eigenen Einrichtung selber adäquat unterstützen zu können, aber auch um selber Entlastung zu erfahren, benötigen Mitarbeiter*innen im psychosozialen Hilfesystem selber Unterstützung. Nur wer sich halbwegs sicher im Thema fühlt und weiß, an wen er ggf. verweisen kann, traut sich, sexualisierte Gewalt anzusprechen und ist offen für die Probleme betroffener Männer*. Im psychosozialen Hilfesystem Tätige benötigen Standby-Expertise, die in Form von kollegialer Fachberatung und Infoveranstaltungen abrufbar ist.
Eine solche Standby-Expertise funktioniert nur, wenn die Anlaufstelle in den entsprechenden Vernetzungsgremien und auf Fachveranstaltungen präsent und greifbar ist. Ein Ansprechpartner, der nur vom Hörensagen bekannt ist, ist im Ernstfall keine ausreichende Unterstützung. Auch die Vermittlung funktioniert wesentlich besser, wenn Kontakte zu den Kooperationspartner*innen schon vorher existieren. Vernetzung und Gremienarbeit ist deshalb integraler Bestandteil eines Angebotes von Standby-Expertise.

2.2.2 Ziele der Anlaufstelle im Handlungsfeld besondere gesundheitliche Bedarfslagen

Die Anlaufstelle für Männer*, die in Kindheit oder Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren von Tauwetter e.V., wird von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit im Rahmen des „Integrierten Gesundheits Programm“ (IGP) im Handlungsfeld „Besondere gesundheitliche Bedarfslagen“ gefördert. Im Zuge der Qualitätsentwicklung in diesem Handlungsfeld sind durch die Projektgruppe folgende Ziele erarbeitet worden, die die seinerzeitigen Ziele des Landes Berlin weiterentwickelt und angepasst haben (Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz (2004), Rahmenvorgaben für die Gesundheitsprojekte im LIGA-Vertrag):

  1. Stärkung der Handlungskompetenzen für die individuelle Gesundheitsförderung und Gesunderhaltung und deren nachhaltige Verankerung im persönlichen Lebensstil
  2. Vermeidung von (Folge-)Erkrankungen, deren Verschlechterung oder Chronifizierung von Gewaltfolgen
  3. Verbesserung der Lebensqualität
  4. Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und der Selbsthilfe
  5. Stärkung von Kooperation und Vernetzung
  6. Verbesserung von Strukturen in der Gesundheitsförderung und -versorgung

Von diesen Zielen hat für die Anlaufstelle die „Verbesserung der Lebensqualität“ - konkret der Lebensqualität männlicher Betroffener sexualisierter Gewalt - erste Priorität.
Dieses Ziel teilt sich in folgende Teilziele auf, welche durch verschiedene Maßnahmen der Anlaufstelle erreicht werden sollen:
Bei der Beratung und Betreuung der Zielgruppe werden ganzheitliche Ansätze verfolgt.

Maßnahmen:

  • Informieren und Beraten zu typischen, ursprünglich funktionalen, jetzt aber schädigenden Bewältigungsstrategien
  • Entwickeln individuell umsetzbarer Möglichkeiten zur Stabilisierung im Alltag und in Krisen
  • Einbeziehen der Bezugspersonen und des sozialen Netzwerks

Hilfeangebote sind bekannt und/oder werden angenommen.

Maßnahmen:

  • Informieren und Beraten über mögliche Unterstützungsleistungen
  • Vermitteln an spezifische Dienste / Einrichtungen

Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein sind gestärkt. (Empowerment)

Maßnahmen:

  • Fördern individueller Ressourcen und Selbsthilfepotentiale
  • Entwickeln von Bewältigungsstrategien und Bearbeitungsmöglichkeiten
  • Stärken und Fördern der Selbstorganisierung von Betroffenen
  • Offenlegen eigener Erfahrungen von betroffenen Mitarbeiter*innen als Mut machendes Beispiel
  • Hinterfragen (internalisierter) vorherrschender Normen, Stereotype und Stigmatisierungen
  • Aufzeigen von Möglichkeiten zur Reflexion von individuellen (Gewalt-)Erfahrungen im Kontext struktureller und gesellschaftlicher Zusammenhänge
  • Identifizieren von Bedürfnissen
  • Anleiten der Zielgruppe zur Durchsetzung ihrer Ansprüche

Individuelle Beziehungen und soziale Netzwerke sind gefördert.

Maßnahmen:

  • Entwickeln und Stärken sozialer Ressourcen (z.B. soziales Umfeld, Gründung einer Selbsthilfegruppe)
  • Motivieren zur Inanspruchnahme von Selbsthilfegruppen
  • Informieren und Beraten des Umfeldes der Betroffenen über die Krankheit / Beeinträchtigung und Zugangsbarrieren / Gewaltfolgen, über Möglichkeiten der Unterstützung und die Notwendigkeit, die eigenen Grenzen zu wahren.
  • Informieren in Einzel- und Paarberatung über mögliche Auswirkungen von Gewalt auf die Beziehungsfähigkeit und mögliche Probleme in der Paarkommunikation

Unmittelbar mit diesem Ziel ist in der Tätigkeit der Anlaufstelle das Ziel „Vermeidung von (Folge)Erkrankungen, deren Verschlechterung oder Chronifizierung von Gewaltfolgen“ verbunden. Die Anlaufstelle ist bestrebt zur Verwirklichung folgender Teilziele beizutragen und ergreift dazu folgende Maßnahmen:

Das Wissen der Zielgruppe über gesundheitliche Risiken und gesundheitsschädigende Verhaltensweisen sowie über Schutzfaktoren ist gestärkt.

Maßnahmen:

  • Informieren und Beraten über die Risiken einer Chronifizierung der Auswirkungen von Gewalt sowie über die Möglichkeiten, dem entgegen zu wirken.
  • Durchführen von Informationsveranstaltungen, Workshops und Schulungen

Medizinische, therapeutische und rehabilitative Angebote der Regelversorgung sind bekannt.

Maßnahmen:

  • Informieren und Beraten über medizinische Möglichkeiten und Versorgungsangebote
  • Vermitteln in weiterführende Hilfen und Angebote der Regelversorgung

Eine individuelle Bearbeitung der widerfahrenen Gewalt und ihrer Auswirkungen findet statt.

Maßnahmen:

  • Informieren und Beraten über die bestehenden Möglichkeiten der Bearbeitung von Gewalt und ihren Auswirkungen wie z.B. individuell organisierter Bearbeitungsprozesse,
  • Informieren und Beraten über Risiken einer transgenerationalen Weitergabe von Gewaltfolgen in Einzelberatung und Paarberatung

Zu den weiteren Zielen der Anlaufstelle gehören die „Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und der Selbsthilfe“ (darin primär der Selbsthilfe) sowie die „Stärkung der Handlungskompetenzen für die individuelle Gesundheitsförderung und Gesunderhaltung und deren nachhaltige Verankerung im persönlichen Lebensstil“. Dabei spielen folgende Teilziele und damit verbundene Maßnahmen eine entscheidende Rolle:

Selbsthilfestrukturen sind gestärkt.

Maßnahmen:

  • Bereitstellen von Infrastruktur
  • Initiieren und/oder Begleiten von Selbsthilfegruppen
  • Vermittlung der Zielgruppe in Selbsthilfe-Strukturen

Das Wissen über die Bedingungen von Gesundheit, Prävention und Gesundheitsförderung ist gestärkt.

Maßnahmen:

  • Durchführen von Informationsveranstaltungen und Workshops
  • Anleiten zu präventiven und/oder gesundheitsfördernden Maßnahmen
  • Entwickeln, Bereitstellen und Verteilen von Infomaterialien

Das Gesundheitshandeln der jeweiligen Zielgruppe ist gestärkt.

Maßnahmen:

  • ganzheitlich gesundheitliches Informieren, Aufklären und Beraten
  • Informieren, Aufklären und Beraten zu medizinischen, psychologischen und/oder psychosozialen Fragestellungen
  • Informieren und Beraten zu Angeboten der medizinischen und/oder psychologischen/psychotherapeutischen Versorgung sowie der Pflege Informieren und Beraten zu gesundheitsfördernden Angeboten des Trägers und anderer Projekte
  • Beraten zu familiendynamischen Prozessen
  • Krisenintervention
  • Durchführen von Informationsveranstaltungen und Workshops
  • Unterstützen beim Aufbau von und Vermitteln in Selbsthilfegruppen
  • Vermitteln in weiterführende Dienste der Regelversorgung und ergänzende Angebote

Die soziale Situation der Zielgruppe hat sich verbessert. Sozialleistungen werden in Anspruch genommen. Die Lebensgrundlage ist gesichert.

Maßnahmen:

  • Vermitteln in ergänzende Beratungsangebote
  • Anbieten niedrigschwelliger Kontaktmöglichkeiten und Treffpunkte
  • Durchführen von Veranstaltungen (Informationsveranstaltungen, Workshops, Fortbildungen…)

Der Zugang zu gesundheitsfördernden und präventiven Angeboten ist gesichert.

Maßnahmen:

  • Entwickeln und Bereitstellen von zielgruppenspezifischen Informationen und Materialien zu gesundheitsfördernden Angeboten ist gesichert.
  • Informieren und Beraten der Zielgruppen über bedarfsgerechte Angebote
  • Bedarfsorientiertes Weitervermitteln an Behandelnde und andere Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, Projekte

Die Tätigkeit der Anlaufstelle leistet zusätzlich einen Betrag bei der Erreichung folgender Teilziele des Handlungsfeldes (auch wenn die Erfüllung der übergeordneten Ziele nicht in Gänze zu den originären Aufgaben der Anlaufstelle zählen:

Ziel: Stärkung der Rechte von Patientinnen und Patienten

Teilziel: Beschwerdemöglichkeiten sind bekannt und/oder werden wahrgenommen.

Maßnahmen:

  • Schaffen von Transparenz über bestehende Beschwerdemöglichkeiten, auch in der eigenen Einrichtung

Ziel: Stärkung von Kooperation und Vernetzung

Teilziel: Die Projekte kooperieren untereinander, mit angrenzenden Bereichen

Maßnahmen:

  • Vernetzen mit anderen Organisationen, Projekten und ehrenamtlichen Diensten und Institutionen der Regelversorgung.
  • Mitarbeit in Netzwerken und Kooperationsgremien

Ziel: Verbesserung von Strukturen in der Gesundheitsförderung und -versorgung

Teilziel: Angebote der Prävention, Gesundheitsförderung und gesundheitlichen Versorgung werden bedarfsgerecht und zielgruppenspezifisch angepasst.

Maßnahmen:

  • Sensibilisieren für unterschiedliche Bedarfe und Bedürfnisse von Zielgruppen
  • Schaffen von Transparenz über Angebote (für Zielgruppe & Akteur*innen)

Teilziel: Diskriminierung und Ausgrenzung wird entgegen gewirkt.

Maßnahmen:

  • Sensibilisieren für und kritisches Hinterfragen von vorherrschenden Normen, Stereotypen und Stigmatisierungen (u.a. durch das öffentliche Auftreten reflektierter Betroffener)
  • Aufdecken diskriminierender und ausgrenzender Mechanismen, Praktiken und Haltungen
  • Eintreten für den Abbau von Barrieren und Ausschlüssen (u.a. in Kooperations- und Vernetzungsgremien)

Teilziel: Möglichkeiten zur Partizipation sind gestärkt.

Maßnahmen:

  • Fördern der Selbstorganisierung und von Initiativen zur selbstbestimmten Interessensvertretung
2.2.3 Zielgruppen

1. Männer*, die als Junge oder Jugendlicher Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind.

Wir geben keine Definition von “Mann*“ vor. Diejenigen, die das Angebot nutzen wollen sind im Rahmen unserer Möglichkeiten willkommen. Es spielt dementsprechend keine Rolle, ob jemand, der als Junge missbraucht wurde, heute einen Frauenkörper hat und/oder sich als „Frau“ fühlt, ob jemand, der einen männlichen Körper hat bzw. sich als „Mann“ fühlt zum Zeitpunkt der sexuellen Gewalt ein Mädchen war, oder ob jemand sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen möchte. Diese sogenannte Transoffenheit ist ein wichtiger Bestandteil der Inklusion bei Tauwetter.
Des Weiteren zählen zur Zielgruppe alle Männer* unabhängig von subjektiven und objektiven Behinderungen oder Einschränkungen. Der Zugang zu Tauwetter ist mit dem Fahrstuhl möglich, eine rollstuhlgerechte Toilette steht im Hause zur Verfügung, bei Bedarf werden Gebärdendolmetscher*innen hinzugezogen.
Auch spielt die Herkunft oder der kulturelle Hintergrund interessierter Männer* keine Rolle. Der Beratungsansatz der Anlaufstelle ist personenzentriert, d.h. die jeweiligen individuellen Fragestellungen und Rahmenbedingungen stehen im Mittelpunkt. Einige Sprachen werden durch die Berater*innen selber abgedeckt, andere mittels Dolmetscher*innen. Die Berater*innen arbeiten kultursensibel und reflektieren in der Inter- und Supervision immer wieder bestehende Machtverhältnisse und Vorurteile sowie die eigene Verwobenheit mit diesen.
Des Weiteren zählen zu dieser Zielgruppe jene Männer*, die in Kindheit oder Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, und als Erwachsene revictimisiert werden.

2. Soziales Umfeld

Angehörige und andere Unterstützer*innen aus dem sozialen Umfeld
Diese Gruppe ist nicht nur als Unterstützung für die betroffenen Männer wichtig, sie sind oftmals sekundär ebenfalls von der sexuellen Gewalt betroffen, da sie indirekt unter den Folgen mit zu leiden haben.

3. Professionelle Multiplikator*innen

Fachkräfte und Mitarbeiter*innen aus dem psychosozialen Bereich und aus anderen Heilberufen
Diese Personen sind oftmals der erste Kontakt betroffener Männer mit dem Hilfesystem. Sie benötigen sowohl eigene Kompetenz um mit der Situation zufriedenstellend umgehen zu können und sind aber auch wichtige Mittler und Wegbereiter. Auch benötigen diese Personen eine Reflektion ihrer Rolle und ihrer Psychohygiene.

4. Sonstige

In anderen Bereichen mit betroffenen Männern und dem Thema Konfrontierte, wie Polizei, Medizin, Justiz, etc.
Sie sollen für das Thema sexualisierte Gewalt sensibilisiert werden, damit ein angemessener und unterstützender Umgang mit betroffenen Männern möglich ist.

2.3 Angebote
2.3.1 Angebote:

• Beratung und Einzelinformation für Betroffene und ihr Umfeld

o Per Telefon
o Zu den telefonischen Sprechzeiten
o Zu vereinbarten Terminen
o Per E-Mail
o Face-to-Face
o Zu vereinbarten Terminen
o Im Rahmen der offenen Erstberatung
o In den Räumen von Tauwetter
o An anderen Orten als mobile, aufsuchende Beratung

Eine Einzelberatung beinhaltet bei „Face-to Face“ Beratungen bis zu fünf Termine, bei einer E-Mail oder Telefonberatung wird dies individuell nach Bedarf geregelt.

• Organisierung und Begleitung von Selbsthilfe für Betroffene und Umfeld

o Vorgespräche mit Betroffenen zur Gründung einer neuen Selbsthilfegruppe
o Anleitung der Selbsthilfegruppen für betroffene Männer
o Anleitung der Selbsthilfegruppen für Partner*innen
o Begleitung und Supervision für laufende Selbsthilfegruppen

• Beratung und Einzelinformation für psychosoziale Fachkräfte und in anderen Bereichen mit Betroffenen Konfrontierte

o Per Telefon
o Zu den telefonischen Sprechzeiten
o Zu vereinbarten Terminen
o Per E-Mail
o Face-to-Face
o Zu vereinbarten Terminen
o Im Rahmen der offenen Erstberatung
o In den Räumen von Tauwetter
o An anderen Orten als mobile, aufsuchende Beratung

• Fachlicher Austausch mit anderen psychosozialen Fachkräften

o Organisation von und Mitarbeit in Vernetzungsgremien (z.B. Fachrunde gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen), )
o Teilnahme an Fachtagen bzw. Fachtagungen und -kongressen.

• Information von interessierten Betroffenen, des Umfeldes und von Fachpublikum sowie Einmischung in den öffentlichen Diskurs durch

o Barrierearme und mobilphonegerechte Website mit mehrsprachigem Teil, Seite in leichter Sprache und Video in Gebärdensprache
o Veröffentlichung von Flyern, Plakaten (z.B. im öffentlichen Nahverkehr)
o Spots in Kinos und dem Berliner Fenster
o Infoabende
o Veranstaltungen
o Infostände
o Pressearbeit
o Teilnahme an Veranstaltungen
o Veröffentlichung von Fachartikeln

2.3.2 Inhaltliche Ausrichtung des Angebotes

In Kooperation mit der antipsychiatrischen, stationären Kriseneinrichtung „Villa Stöckle / Weglaufhaus“, sowie der Frauenselbsthilfe von Wildwasser Berlin und unterstützt vom DPW-Landesverband Berlin ist eine gemeinsame inhaltliche Ausrichtung der Arbeit als „betroffenenkontrollierter Ansatz“ formuliert worden. Dabei wurde besonders die spezielle Lage von Gewaltopfern berücksichtigt. Der Ansatz steht in der Tradition subjektwissenschaftlicher Psychologie und Sozialarbeit und stellt die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit in den Mittelpunkt.
Hintergrund ist die Erfahrung, dass sexualisierte Gewalt den Menschen auf ein Objekt reduziert und massiv in seinen Handlungsmöglichkeiten beschränkt. Diese Erfahrungen haben oftmals eine Dimension, dass sie für die Betroffenen eben nicht auf diese Situation beschränkt bleiben, sondern verallgemeinert werden. In dem Bearbeitungsprozess dieser Menschen muss deshalb von Anfang an im Mittelpunkt stehen, dass sie wieder über ihr eigenes Leben verfügen und sich neue Handlungsmöglichkeiten erarbeiten können. Die Berater der Anlaufstelle versuchen von daher, möglichst nicht direktiv oder manualisiert vorzugehen, sondern auf das konkrete Individuum mit seiner Problemlage einzugehen. Es geht um die Entwicklung von passgenauen Lösungsansätzen, die auf den vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen der Betroffenen aufbauen und neue erschließen.
In dieser Entwicklung von Lösungsansätzen gilt es auch gesellschaftliche, genderspezifische oder kulturabhängige Zuschreibungen und Selbstdefinitionen zu berücksichtigen. So bietet die männliche Rolle einen anderen Zugang zu Ressourcen als die weibliche, weil z.B. bestimmte Gefühle als unmännlich konnotiert sind, kühles rationales Denken hingegen als männlich gilt. Analog dazu gibt es kulturelle und soziale Schranken und Möglichkeiten, die es jeweils individuell einzubeziehen gilt. Dabei stehen nicht Defizite, sondern das ganze Individuum mit seinen bisherigen, teilweise sehr kreativen Überlebensstrategien im Mittelpunkt. Die Berater bilden ein präsentes Gegenüber, stellen den Ratsuchenden ihr Fachwissen und ihre Erfahrungen (aus der eigenen Biographie und der Beratungsarbeit) zur Verfügung und ermöglichen damit eine Reflektion der eigenen bisherigen Vorgehensweise. Auf diesem Wege werden für die Betroffenen neue Perspektiven erschließbar. In diesem Sinne ist die Beratungsarbeit „problemzentriert“ aber nicht defizit- sondern ressourcen-, lösungsorientiert und ganzheitlich.
Das Angebot der Anlaufstelle basiert auf einer psychiatriekritischen Grundhaltung und ist von daher als wichtige Ergänzung zu psychiatrischen Angeboten zu verstehen. Es bietet einen Rahmen für Menschen, jenseits von psychopathologischen Diagnosen über jene Probleme, die für sie im Kontext der widerfahrenen sexualisierten Gewalt stehen, eine Auseinandersetzung zu führen. Sie können Umgangsweisen mit diesen Problemen entwickeln und Unterstützung für Veränderungsprozesse bekommen. Dieser Ergänzungscharakter bzw. für einige diese Alternative hat bisher zu vielfältigen Empfehlungen auch von Seiten von Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen an Tauwetter geführt.

2.4 Struktur
2.4.1 Räumlichkeiten

Die Anlaufstelle verfügt über drei Räume in der Gneisenaustrasse 2a in Kreuzberg – einen Beratungsraum, einen Gruppenraum und ein Büro. Alle sind mit Telefon und PC ausgestattet, so dass z.B. zeitgleich gearbeitet werden kann. Ungestörte Gespräche sind so sicher gestellt.
Das Gebäude – der Mehringhof – ist gut mit dem öffentlichen Nahverkehr (U7, U8) erreichbar und hat viel Publikumsverkehr der unterschiedlichsten Art, so dass ein anonymer Zugang möglich ist. Für größere Veranstaltungen stehen nach Rücksprache mit der Grundstücksverwaltung sowohl der Versammlungsraum des Mehringhofes, der kleinere Blaue Salon, sowie im Sommer die Dachterrasse zur Verfügung.
Die Räumlichkeiten sind auf Wunsch per Fahrstuhl zugänglich, eine rollstuhlgerechte Toilette befindet sich im Haus.

2.4.2 Erreichbarkeit

In der Anlaufstelle ist zu festgelegten und öffentlich bekannt gegebenen Sprechzeiten ein Berater telefonisch ansprechbar. Auch für Fragen bezüglich der Selbsthilfe steht zu festgelegten Zeiten ein Mitarbeiter zur Verfügung.
Außerhalb der telefonischen Sprechzeiten ist eine Kontaktaufnahme auch per Email möglich.
Es gibt eine offene Erstberatung die einen Besuch der Anlaufstelle ohne vorherige Terminvereinbarung ermöglicht.

2.4.3 Zugang

Aus der Priorität des Rückgewinnungsprozesses der Subjekthaftigkeit ergibt sich folgendes für den Zugang:

  • Die Nutzung des Angebotes erfolgt freiwillig. Es werden keine Arbeitsaufträge Dritter weder explizit in Form von Überweisungen noch implizit durch „wohlmeinende“ Angehörige angenommen.
  • Die Nutzung erfolgt anonym, es werden keine persönlichen Daten, Adressen, Alter, Nationalität, Wohnort oder dergleichen erhoben.
  • Für die Dokumentation bzw. statistische Angaben werden diese Daten geschätzt.
  • Es gibt keine Diagnostik als Eingangsvoraussetzung. Demzufolge auch keine festgelegten Behandlungspläne und Manuale. Die Nutzer*innen entscheiden eigenverantwortlich nach Kenntnisnahme der Möglichkeiten über ihren Hilfebedarf. Wer sich für die Nutzung des Angebots entscheidet, wird im Rahmen der formalen und personellen Möglichkeiten der Projekte akzeptiert.

In diesem Sinne ist der Zugang einerseits niedrigschwellig, stellt aber an die Nutzer*innen andererseits bestimmte Anforderungen, um das Angebot gewinnbringend nutzen zu können. Diese Anforderungen werden den Nutzer*innen transparent gemacht, um sie so in die Lage zu versetzen zu entscheiden, ob sie das Angebot nutzen wollen.

2.4.4 Kooperation / Vernetzung

Kooperation und Vernetzung findet auf mehreren Ebenen statt:

  • In der alltäglichen Kooperation sind die beiden Berliner Facheinrichtungen Wildwasser und Strohhalm die wichtigsten Ansprechpartner der Anlaufstelle. Hier findet fachlicher Austausch ebenso statt wie konkrete Zusammenarbeit bei der Organisation einzelner Projekte und Initiativen.
  • Der Berliner Krisendienst ist zu Tageszeiten, zu denen in der Anlaufstelle niemand zu erreichen ist, für betroffene Männer* ein wichtiger Rückhalt. Andererseits werden Männer*, die sich wegen akuter Krisen an den Krisendienst / Sozialpsychiatrischen Dienst wenden, wenn es um eine Auseinandersetzung mit widerfahrener sexualisierter Gewalt geht, an Tauwetter verwiesen.
  • Nicht auf sexualisierte Gewalt spezialisierte Einrichtungen, wie Nachbarschaftszentren, Familienberatungen, Drogenberatungen, aber auch Ärzte, Krisenstationen der Krankenhäuser sind oftmals die ersten Adressen für betroffene Männer* im Hilfesystem. Im Idealfall werden sie von hier an Fachstellen weiter verwiesen. Gleichzeitig hat die wissenschaftliche Auswertung der telefonischen Anlaufstelle der Unabhängigen Beauftragten aber ergeben: „Über die Altersgruppen hinweg wird es als sehr belastend empfunden, wenn Betroffenen bei Hilfsgesuchen nicht geglaubt werde“ . Und dies geschieht umso häufiger, je weniger spezialisiert die Ansprechpartner*innen sind. Für eine funktionierende Verweisung ist also eine aktive Kooperation, die auch die Weitervermittlung von Grundlagenwissen und/bzw. -informationen beinhaltet, von elementarer Bedeutung (vgl S. … Standby-Expertise).
  • Aber auch in die andere Richtung ist Kooperation wichtig: Viele Männer* kommen zu Tauwetter und stehen z.B. vor der Frage, ob eine Therapie sinnvoll sein kann, oder wie sie mit ökonomischen Problemen in Folge der sexualisierten Gewalt umgehen können. Um hier kompetent an spezialisierte Traumatherapeut*innen oder –kliniken, aber auch an Sozial- und Mieterberatungen weitervermitteln zu können, ist Vernetzung unentbehrlich. Dies betrifft auch die Weitervermittlung von Männern, die andere Angebote suchen, als die Anlaufstelle sie anbietet.
  • Um ein interessiertes Fachpublikum zu erreichen organisiert die Anlaufstelle organisiert mit den anderen Berliner Fachstellen zusammen die „Berliner Fachrunde gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen“.
  • Die Anlaufstelle arbeitet ferner in der Fachgruppe Familie, Frauen Mädchen des PARITÄTischen Landesverbandes Berlin mit und ist Mitglied im Beirat des Neuköllner Projektes „Heroes – gegen Unterdrückung im Namen der Ehre“.
  • Die Anlaufstelle zählt weiter zu den Mitinitiatoren des „Bundesweiten Vernetzungstreffen von Einrichtungen, die mit männlichen Opfern sexualisierter Gewalt arbeiten. Mitarbeiter nehmen regelmäßig an den jährlichen Tagungen teil.
2.4.5 Mitarbeiter*innen

Die Aufgaben der Mitarbeiter*innen ergeben sich aus den benannten Angeboten. Um diese Aufgaben zu bewältigen sind je nach Arbeitsbereich nötig:

  • Grundlagenwissen zu sexualisierter Gewalt
  • Fachwissen zu männlichen Bewältigungsstrategien und Bearbeitungs-möglichkeiten
  • Kenntnisse über Aufgabenverteilungen im Hilfe- und Strafverfolgungssystem
  • Grundkenntnisse in Psychopathologie und therapeutischen Vorgehensweisen
  • Kompetenzen und Qualifikationen in den Bereichen

o Beratung,
o Selbsthilfegruppenbegleitung,
o Didaktik
o Öffentlichkeitsarbeit
o Koordination & Verwaltung.

Diese Kompetenzen können durch psychologische und sozialpädagogische oder ähnliche Ausbildungen erworben werden. Sie können aber auch aus gleichwertigen Qualifikationen, Berufspraxis etc. stammen.

Neben diesen Fähigkeiten und Kenntnissen wird nach dem betroffenenkontrollierten Ansatz von allen Mitarbeiter*innen erwartet, dass sie über reflektierte Erfahrungen in der Bearbeitung ihnen widerfahrener, sexualisierter Gewalt verfügen. Sie müssen sich entscheiden, diese aktiv als Ressource zu nutzen, d.h. von den Mitarbeiter*innen wird verlangt:

  • Reflektion der eigenen Erfahrungen und des Umgangs damit
  • Kompetenz und Bereitschaft zur Kommunikation über das eigene Erleben
  • Fähigkeit die eigenen Erfahrungen für andere sichtbar machen
  • bewusster Einsatz eigener Erfahrungen, um z.B. Hemmschwellen zu verringern oder Zuschreibungen in Frage zu stellen
  • die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven einzunehmen.

Von allen Mitarbeiter*innen wird erwartet, Nutzer*innen als kompetent und Expert*innen für sich selber wahr zu nehmen. Dies beinhaltet:

  • Offenheit, sich in den eigenen Vorstellungen und Werten irritieren zu lassen
  • die Grundhaltung, sich lernend stetig weiter zu entwickeln
  • einen Umgang mit Stigmatisierungen, der diese in ihren Funktionen aufdeckt
  • eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Dies sind Fähigkeiten und Kompetenzen, die weder durch eine Ausbildung allein, noch durch eigene Betroffenheit allein zu erlangen sind. Es bedarf vielmehr einer ausführlichen Einarbeitung und Lernphase.

2.5 Methoden und Arbeitsweise

Die Informations- und Beratungsstelle Tauwetter arbeitet nach dem betroffenenkontrollierten Ansatz. In diesem sind bestimmte Methoden und Herangehensweisen festgehalten und begründet. In ihnen wird Selbstbestimmung der Nutzer*innen als zentrales Moment des Bearbeitungsprozesses in den Mittelpunkt gestellt. Dies drückt sich sowohl in dem unter 2.4.3. angeführten Zugang aus, als auch in der konkreten Arbeit mit den Nutzer*innen:

  • es werden keine Anordnungen oder Anweisungen erteilt, vielmehr werden die Betroffenen dabei unterstützt selber Entscheidungen zu treffen
  • weil das Gefälle zwischen Mitarbeiter*in und Nutzer*in ein situatives ist, wird den Nutzer*innen auf Augenhöhe begegnet
  • den Nutzer*innen wird vorhandenes Fachwissen und gesammelte Erfahrung zur Verfügung gestellt, um ihnen neue Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen
  • da davon auszugehen ist, dass jedwedes Verhalten für die Nutzer*in eine Funktion erfüllt, wird versucht für das Verhalten des Gegenüber größtmögliches Verständnis zu entwickeln
  • da es keine Neutralität und Unabhängigkeit von der eigenen gesellschaftlichen Herkunft, ethischer und ethnischer Zugehörigkeit, vom eigenen Gender, von Alter und persönlicher Geschichte gibt, reflektieren die Mitarbeiter*innen diese einerseits vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Kontextes sexualisierter Gewalt, andererseits in Bezug auf das direkte Gegenüber
  • da die Ohnmachtserfahrung sexualisierter Gewalt eng mit fehlenden Möglichkeiten, die Situation irgendwie zu kontrollieren verbunden ist, werden sowohl der Rahmen, als auch die dem Angebot immanenten Hierarchien transparent und damit durchschaubar gemacht. Es werden den Nutzer*innen soweit möglich Einflussmöglichkeiten aufgezeigt. In diesem Kontext ist von Bedeutung, dass eine spätere Mitarbeit ehemaliger Nutzer*innen prinzipiell möglich ist. Diese perspektivische Aufhebung der vorgefundenen Machtverhältnisse wirkt auch direkt auf das Verhältnis im Gespräch.

Neben diesem Arbeitsansatz fließen Methoden aus der Psychotraumatologie und aus den humanistischen Ansätzen der Psychologie/Sozialarbeit, insbesondere Ideen der klientenzentrierten Arbeit und des Empowerment in die Arbeit ein.

2.6 Interkulturelle Öffnung

Selbstwahrnehmung und der Zugang zu Hilfsangeboten stark vom gesellschaftlichen / kulturellen Umfeld der Betroffenen ab. So ist z.B. allein schon das Verständnis von Homosexualität in Lateinamerika ein anderes, als in Europa und das ist wiederum anders als in den arabischen Ländern. Auch die Konstruktion von Männlichkeit differiert und ebenso die Bedeutung sexualisierter Gewalt.
Entsprechend dem Arbeitsansatz von Tauwetter, steht das Individuum mit seinen konkreten Problemen im Mittelpunkt. Dementsprechend spielt der kulturelle Hintergrund des/der Nutzer*in erst einmal nur insofern eine Rolle, als dass er für selbige*n Bestandteil des Problems ist. Um in dieser Situation kultursensibel mit den Betroffenen umgehen zu können, müssen die Mitarbeiter*innen über Kenntnisse und Sensibilität für kulturelle Differenzen und Diskriminierungen verfügen oder diese erwerben.
Gleichzeitig ist aber klar, dass der Zugang zur Anlaufstelle je nach gesellschaftlich-kulturellem Hintergrund unterschiedlich leicht oder schwer ist. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, eines aktiven Zugehens auf jene Communities, denen der Zugang erschwert ist. Als Schritt in diese Richtung ist die Übersetzung eines Teils der Website von Tauwetter in die wichtigsten in Berlin vertretenen Fremdsprachen. Ein weiterer wichtiger Baustein ist das Angebot einer Beratung mit Dolmetscher*innen. Um diese Möglichkeiten bekannt zu machen, wird gezielt ein mehrsprachiger Flyer verteilt.
Die Mitarbeit von Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund in der Anlaufstelle ist ausdrücklich erwünscht.

2.7 Gender-Mainstreaming

Zu den gravierenden Mängeln im psychosozialen Hilfesystem nach sexualisierter Gewalt (aber auch in der gesamten Arbeit zu sexualisierter Gewalt) zählt die fehlende geschlechtssensible Arbeit mit Jungen* und Männern*. Zugespitzt lässt sich sagen, dass die Psychotraumatologie in fataler Weise genderunsensibel ist. Es ist erwiesen, dass das Vorkommen sexualisierter Gewalt bei den Geschlechtern unterschiedlich ist. Auch Bewältigungsstrategien sind geschlechtstypisch überformt. Wenn dies in der Arbeit nicht berücksichtigt wird, bleibt diese nur begrenzt effektiv.
Tauwetter hat sich seit seinem Bestehen mit Fachartikeln und Vorträgen zu diesem Thema befasst. Es hat in Diskussionen eingegriffen und initiiert. Diese Arbeit wird in der Anlaufstelle fortzusetzt.
In der direkten Arbeit mit Betroffenen schlägt sich sowohl dieses Wissen, als auch die Erfahrung der bisherigen Arbeit insofern nieder, als dass es den Nutzer*innen zur Verfügung gestellt wird, um die Bedingungen, denen sie unterworfen sind, aber auch die eigene Verwicklung darin reflektieren zu können.
Von den Mitarbeiter*innen wird eine permanente Reflektion ihrer eigenen vergeschlechtlichten Wahrnehmung und ihres eigenen Handelns erwartet.

2.8 Projektbezogene Qualitäts- und Ergebnissicherung

Neben den oben aufgeführten projektübergreifenden Vorgaben des Trägers zur Qualitätssicherung gelten für die Anlaufstelle die folgenden projektbezogenen Maßnahmen.

2.8.1 Qualitätssicherung durch Mitarbeiter*innenqualifikation

Bei einer an individuellen Problemlagen orientierten Arbeit kann Qualität weniger über standardisierte Abläufe, als über Qualifikationen der Mitarbeiter*innen und eine begleitende Qualitätskontrolle erreicht werden. Die Anlaufstelle ist bestrebt, durch präzise Aufgabenbeschreibungen und Anforderungsprofile die Grundlage für eine qualitative hochwertige Arbeit zu legen. Neue Mitarbeiter*innen werden von erfahrenen Mitarbeiter*innen ausführlich eingearbeitet. Die Teilnahme an Fortbildungen um eventuell bestehende Lücken zu schließen wird von ihnen erwartet. Zur fortwährenden Aktualisierung des Wissens dienen die Teilnahme an Fachdiskussionen (Tagungen, Kongresse, etc.) sowie das Studium aktueller Fachzeitschriften.

2.8.2 Qualitätssichernde Strukturen

Die Anlaufstelle berichtet dem Trägerverein regelmäßig über ihre Tätigkeit, um so eine Kontrolle durch den Verein zu ermöglichen.
Eine Tätigkeit in der Anlaufstelle und eine gleichzeitige Mitgliedschaft im Trägerverein sind nicht möglich, um eine unzulässige Vermischung und mögliche Interessenkollision zu verhindern.
Als permanentes Feedback dient zum einen das jährliche Treffen von Selbsthilfegruppenmännern*, aber auch das projektübergreifende Beschwerdemanagement.

2.8.3 Sicherung der Prozessqualität

Zur Sicherung der Prozessqualität haben die Mitarbeiter*innen der Anlaufstelle vor und nach jedem Einzelgespräch, aber auch nach jeder Begleitung einer Selbsthilfegruppe ausreichend Zeit, den stattgefundenen Prozess und sich selber zu reflektieren. Dies gilt ebenso für andere Tätigkeiten, wie Informationsveranstaltungen etc.
Die Mitarbeiter*innen treffen sich zu regelmäßigen Teamsitzungen, auf denen sowohl die Arbeit der einzelnen Mitarbeiter*innen besprochen wird, als auch eine konkrete Intervision einzelner Beratungsprozesse oder Gruppenbegleitungsprozesse stattfindet. Dies dient u.a. dazu die verschiedenen Vorkenntnisse und Qualifikationen der Mitarbeiter*innen gewinnbringend zu nutzen. Des Weiteren gibt es so die Möglichkeit auch Mitarbeiter*innen einzubeziehen, die nicht direkt z.B. in eine Gruppenbegleitung verwickelt sind und so eine Außensicht einzuholen.
Ferner erhalten die Mitarbeiter*innen zur Sicherung der Prozessqualität regelmäßig Fallsupervision.

2.8.4 Ergebnisqualität

Die Ergebnisqualität lässt sich am besten durch eine Evaluation des Arbeitsergebnisses sichern lassen. Dies ist, bei den unterschiedlichen Angeboten aber nur in unterschiedlichem Ausmaß möglich:
Beratungsgespräche: Es findet einmal jährlich eine einmonatige Evaluation der Beratungsgespräche per Fragebogen statt. Follow-Up-Untersuchungen sind leider nicht möglich. Ein direktes Feedback in Form von Äußerungen am Ende des Gespräches oder in Form von späteren Dankesschreiben erfolgt unregelmäßig durch die Nutzer*innen.
Eine statistische Auswertung der Beratungsarbeit erfolgt u.a. in den Sachberichten.
Selbsthilfegruppen: Die Erfolge und Schwierigkeiten der Selbsthilfegruppenarbeit, Verbesserungsmöglichkeiten und Kritik werden auf einem jährlichen gemeinsamen Treffen von Selbsthilfegruppenteilnehmern, Mitarbeitern des Selbsthilfebereiches und dem Vereinsvorstand besprochen. Des Weiteren wird durch die immer wieder stattfindenden Neueinstiege von ehemaligen Gruppenteilnehmern in die Mitarbeit bei Tauwetter ermöglicht, dass Erfahrungen aus den Gruppen in die Gruppenanleitung zurück fließen.
Ein Erfolgsindikator im Selbsthilfebereich ist die Dauer der Selbsthilfegruppen: Ein Überstehen des ersten schwierigen Halbjahres ist grundsätzlich als Indiz für einen erfolgreichen Gruppenstart zu werten, eine außergewöhnlich lange Gruppendauer von über 5 Jahren kann hingegen nicht per se als Erfolg bewertet werden, hier bedarf es einer genaueren Prüfung der Ursache.
Infoveranstaltungen: Bei Infoveranstaltungen im gesellschaftlichen Umfeld der Betroffenen ist eine Rückmeldung durch die jeweiligen Kooperationspartner fester Bestandteil der Nachbereitung. Bei Infoveranstaltungen für beruflich mit dem Thema Befasste wird am Ende per Teilnehmer*innen-Fragebogen evaluiert. Ähnliches gilt für Beiträge / Workshops auf Fachtagungen und Kongressen.
Die Tätigkeit der Mitarbeiter der Anlaufstelle wird von diesen selbst erfasst und dokumentiert.

2.9 aktuelle Vorhaben und Ziele

Tauwetter hat in den letzten Jahren an der Entwicklung der Integrierten Maßnahmeplanung des Netzwerks gegen sexualisierte Gewalt mitgewirkt. Im Zuge dieser Arbeit sind mehrere Lücken im Versorgungssystem deutlich geworden. Es gilt in den nächsten Jahren zu prüfen, welchen Beitrag die Anlaufstelle zur Schließung dieser Lücken beitragen kann: Dies betrifft insbesondere folgende Punkte:

  • Ausbau aufsuchender Beratung
  • Entwicklung eines Angebotes für als erwachsene von sexualisierter Gewalt betroffene Männer durch Kontaktaufnahme mit im Bereich tätigen Beratungseinrichtungen (z.B. Männerbüro Hannover), Weiterbildung zum Thema Umgang mit akuten Gewalterfahrungen und Entwicklung eines Beratungskonzeptes.
  • Ausbau der Beratungsangebote in leichter Sprache.

3 Aussagen zu anderen Arbeitsfeldern des Trägers

3.1 Präventionsarbeit

In Zusammenarbeit mit der Mädchenberatung von Wildwasser Berlin führt der Verein an mehreren Berliner Schulen Präventionsworkshops für Jugendliche durch. Dabei werden die Mädchen durch Mitarbeiterinnen der Mädchenberatungsstelle betreut, die Jungen durch Mitarbeiter des Vereins Tauwetter. In einem den Vormittag füllenden Workshop erhalten sie Basisinformationen zum Thema sexualisierte Gewalt gegen Jungen, erhalten Gelegenheit ihre Fragen zu stellen und werden über Unterstützungsangebote aufgeklärt.

3.2 Fortbildungen

Mitglieder des Vereins führen nach konkreter Absprache mit einzelnen Trägern und Einrichtungen Fortbildungen durch.

3.3 Bundesweite Vernetzung

Der Verein ist Mitglied in der „Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und –vernachlässigung“ (DGfPI).
Ein Vertreter des Vereins arbeitet in der „Bundeskoordinierungsstelle spezialisierte Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend“ (BKSF) mit.

 3.4 Bundespolitisches Engagement

Ein Vertreter des Vereins ist Mitglied des Beirats des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (und dort in der Konzeptgruppe „Forschung“ aktiv) sowie der Bund-Länder-AG zum Monitoring des „Aktionsplans 2011 der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt und Ausbeutung“.

4. Aussagen zur Öffentlichkeitsarbeit des Trägers

Vereinsvorstand, -mitglieder und –unterstützer*innen beteiligen sich an der Öffentlichkeitsarbeit, die von der Anlaufstelle durchgeführt wird. Sie helfen aus bei Infoständen, Veranstaltungen, oder ähnlichem. Eine eigenständige Öffentlichkeitsarbeit des Vereins findet nur in Ausnahmefällen statt.

 14.5. 2018

Letzter Eintrag 11.03.2024

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Tauwetter e.V.
Gneisenaustr. 2a  
10961 Berlin
030 - 693 80 07

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