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Anlaufstelle, für Männer* und TIN*, die in Kindheit, Jugend oder als Erwachsene sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren

© 2015 Tauwetter e.V.

Eine selbstorganisierte Bearbeitung ist keineswegs nur ein schlechter Ersatz für eine Therapie oder Selbsthilfegruppe sondern hat ihre eigenen Qualitäten und Möglichkeiten. Zentral  sind zwei Dinge: Ein guter, achtsamer Umgang mit mir selbst und ein unterstützendes Umfeld.

Individuell angepasst

Eine selbstorganisierte Bearbeitung kann nicht nach Schema F erfolgen, ich muss sie individuell anpassen: Wenn ich z.B. jemand bin, der*die eher verkopft ist und oft in Gedanken um Dinge kreist, ohne voran zu kommen, kann ich überlegen, welche Hilfsmittel und Übungen ich einsetzen kann, um meine Gefühle mehr einzubeziehen. Andersrum kann ich mir, wenn ich schnell in alte Gefühle abkippe und dann dort hängen bleibe, Techniken aneignen, wie ich den Kontakt zum Heute behalte und mich besser distanzieren, im Sinne von "in Sicherheit bringen", kann. Unseres Erachtens gilt es bei standardisierten „Eigentherapien", die nicht an die individuelle Situation angepasst werden, vorsichtig zu sein. Hier besteht die Gefahr einer Wiederholung der Entmündigungssituation der sexualisierten Gewalt.

Mit Unterstützung durch das Umfeld

Selbstorganisierte Bearbeitung benötigt ein Unterstützungsnetz: Ich benötige Freund*innen, mit denen ich jeweils andere Dinge machen kann, die alle für mich wichtig sind: z.B. kann ich mit einigen gut Sport machen (das ist wichtig, um mich wohl zu fühlen und mich mal körperlich auszupowern) - aber über sexualisierte Gewalt könnte ich mit ihnen kaum reden. Andere sind wichtig für mich, wenn es mir so richtig nach Heulen zu Mute ist. Sie geben mir das Gefühl o.k. zu sein, nicht alleine sondern aufgehoben zu sein – aber intellektuell reflektieren, was bei mir passiert, kann ich mit denen nicht so gut. Und Dritte sind genau für dieses Reflektieren gut. Sie analysieren und bemerken sofort, wenn ich eine falsche Schlussfolgerung ziehe – aber ins Kino gehen und eine Film genießen ist mit diesen Analytiker*innen schwierig. Verschiedene Menschen können verschiedene Funktionen in meinem Unterstützungsnetz übernehmen. Was ich mir überlegen muss, ist, was ich brauche, wer dafür ihn Frage kommt und dann muss ich nachfragen.

Struktur schaffen

Für viele ist es wichtig, sich eine Struktur für ihre Arbeit zu schaffen.
Es hat sich z.B. bewährt, sich nicht 24 Stunden am Tag mit dem Thema zu beschäftigen, sondern sich dafür feste, klar umrissene Zeiten zu nehmen, z.B. immer Mittwoch nachmittags von 16:00 bis 18:00 Uhr.
Damit das funktioniert kann ich außerhalb dieser Zeiten z.B. alles, was mir einfällt, in ein Heft oder mein Smartphone eintragen, und mich bemühen, nicht weiter darüber nachzudenken. An meinem festen Termin arbeite ich dann das Heft durch und mache mir weitergehende Gedanken.
Ein weiteres Hilfmittel kann sein, mir einen festen Ort für die Arbeit am Thema zu suchen. Dabei ist es klug wenn dieser Ort für mich sicher ist. Für einige sollte er eng in den Alltag eingebunden sein, für andere ist es besser, wenn er deutlich abgetrennt ist.
Nicht hilfreich ist es für die meisten, wenn der Raum für die Bearbeitung räumlich oder zeitlich zu eng mit den notwenigen Erholungszeiten verbunden ist (z.B. abends im Bett ans Thema ran gehen).

Ausgleich schaffen

Bearbeitung erfordert Kraft. Es ist deshalb unverzichtbar, darauf zu achten sich nicht zu übernehmen. Es hat sich bewährt bewußt Zeiten einzuplanen, die einzig und allein der Erholung und dem Kräfte sammeln dienen. Dabei hat es sich wie oben schon angeklungen bewährt, sich dafür fest mit Freund*innen zu verabreden.

Hartnäckig dran bleiben

Das alles funktioniert nicht auf Anhieb. Und wenn ich das alles schon hätte oder könnte, hätte ich vermutlich mit dem ganzen Kapitel sexualisierte Gewalt schon abgeschlossen. Also gilt es hartnäckig dran bleiben - nach dem Prinzip: Ausprobieren, hinfallen, wieder aufstehen und das nächste ausprobieren -bis ich am Schluss das für mich Passende gefunden habe. Aber keine Panik, das haben vor Dir schon jahrtausendelang Menschen geschafft und hinbekommen und tun es auch heute überall. Denn während es sexualisierte Gewalt und Traumatisierungen schon Jahrtausende gibt ist ein organisiertes Hilfesystem ziemlich jung. Es geht also.

Hilfe durch Beratungsstelle

Auch bei einer solchen selbstorganisierte Bearbeitung muss und sollte ich nicht alles mit mir alleine ausmachen. Wenn es die Möglichkeit gibt sollte ihr (auch telefonisch oder per Mail) mit einer Beratungsstelle Kontakt aufnehmen, um mit deren Unterstützung zu überlegen, wie ihr vorgehen könnt. Adressen finden sich hier und ihr könnt natürlich auch bei uns nachfragen.


Grundlegendes zum Bearbeitungsprozess findest Du auch auf der Seite Bearbeitung und viele Hilfsmittel findest Du unter Selbsthilfeübungen und Hilfen. Diejenigen, für die eine Einordnung der widerfahrenen sexualisierten Gewalt in den Kontext wichtig ist, finden zahlreiche Anregungen in den von uns veröffentlichten Fachartikeln. Die wichtigsten haben wir in einem Reader zusammen gefasst.

Letzter Eintrag: 07.12.2023

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