Eine Belastung auch für das Umfeld
Sexualisierte Gewalt ist nicht nur für die Betroffenen selber, sondern oftmals auch für das Umfeld eine Belastung. Partner_innen müssen lernen mit den Eigenheiten des anderen umzugehen, Freund_innen wollen helfen, wissen aber nicht wie. Unterstützer_innen entwickeln Bilder, was geschehen ist, die sie nicht mehr loswerden, und die sie belasten können. Spätestens dann brauchen Unterstützer_innen selbst Hilfe.
Auf die eigenen Grenzen achten
Aus dem Bestreben zu helfen, folgt manchmal, dass die Unterstützer_innen nicht mehr genügend auf die eigenen Grenzen achten. Das ist meist kontraproduktiv und die Unterstützer_innen verlieren sich aus dem Blick. Niemandem ist damit geholfen, wenn es nicht nur dem Betroffenen, sondern auch seinem_r Unterstützer_in schlecht geht. Deshalb ist eine Bedingung für Unterstützungsarbeit, gut auf sich selber zu achten. Das bedeutet sich regelmäßig Zeit zu nehmen zu überprüfen, wie es mir selbst geht, wo meine Grenzen sind, und ob das, was ich tue, sich innerhalb dieser Grenzen bewegt. Dauerhaft über die eigenen Grenzen zu gehen ist nicht gut.
Keine unhaltbaren Versprechungen
In diesem Zusammenhang gehört auch die Warnung vor unrealistischen Versprechungen, die nicht einzuhalten sind. Ein Satz wie: „Ich werde immer für Dich da sei und alles tun", entspricht zwar meist dem momentanen Gefühl, ist aber eigentlich gar nicht einzuhalten. Es gibt Momente, in denen ich nicht mehr kann, wo ich überfordert bin von Dingen, die ich gar nicht schaffen kann. Ich kann nicht immer alles schaffen. Große Versprechen von Unterstützer_innen führen oft zu großen Enttäuschungen auf Seiten der Betroffenen. Besser ist es, die eigenen Möglichkeiten realistisch einzuschätzen und konkrete Zusagen zu machen wie: „Ich helfe Dir, eine Anlaufstelle zu suchen" oder „Ich habe dann und dann Zeit, Dir in Ruhe zuzuhören".
Den Betroffenen seinen eigenen Weg finden lassen
Eine weitere Dynamik entwickelt sich häufig zwischen den Unterstützern und den Betroffenen. Nachdem sie erfahren haben, was dem Betroffenen in der Kindheit oder Jugend geschehen ist, drängen einige Menschen aus dem Umfeld den Betroffenen dazu, jetzt unbedingt was zu tun - was die Person aber gar nicht will. Wenn ein_e Unterstützer_in mit diesem Ziel zu uns kommt, oder einen Betroffenen zu uns schickt, damit wir etwas mit ihm machen, so ist das zwar verständlich, aber widerspricht unserem Arbeitsprinzip: Der Betroffene entscheidet selber, was er möchte und was er braucht. Wir unterstützen ihn dabei und nehme keine Arbeitsaufträge von Dritten entgegen. Nur der/die Ratsuchende selber entscheidet, was er oder sie will. Das ist naheliegend, denn alles andere bedeutet eine erneute Entmündigung.
Für einige Menschen aus dem Umfeld ist es schwer auszuhalten, zu sehen, wie jemand sich quält oder sie selber unter den Verhaltensweisen des Betroffenen leiden. Dennoch darf der Betroffene nicht erneut entmündigt werden.
Wenn ich unter den Verhaltensweisen eines Betroffenen leide, muss ich genau gucken, was für mich tolerierbar und ertragbar ist, und was nicht. Und das muss ich dem Betroffenen dann deutlich sagen. Er ist derjenige, der daraus Schlussfolgerungen ziehen muss. Wenn sich nichts ändert und meine Grenzen dauerhaft überschritten werden, muss ich die Konsequenzen ziehen. Eins ist in diesem Zusammenhang noch wichtig: Es gibt keine akzeptable Entschuldigung oder Begründung für Gewalt gegenüber Partner_innen – auch nicht, dass jemand in der Kindheit sexualisierte Gewalt erleben musste.
Die Situation von Gruppen
Auch ganze Gruppen, seien es politische Gruppen, Hausgemeinschaften oder Jugendgruppen sehen sich starken Belastungen ausgesetzt, wenn es in ihrem Umfeld oder gar in ihnen selbst zu sexualisierter Gewalt kommt. Wie lassen sich die oder der Betroffene am besten unterstützen? Und wie ist mit dem oder der Täter*in umzugehen? Nicht selten führt dies zu Spaltungen oder zur Auflösung des Zusammenhanges.
Unterstützung für das Umfeld
Es gibt neben diesen noch viele Dinge, die sich eventuell besser anpacken lassen, wenn auch Unterstützer*innen Unterstützung bekommen.
Aus diesem Grunde steht das Beratungsangebot von Tauwetter auch Unterstützer*innen und Gruppenmitgliedern offen.
Wenn der Betroffene selber schon in Beratung ist, und es sich um eine Partnerschaft handelt, gibt es auch die Möglichkeit einer Paarberatung. Voraussetzung dafür ist, dass beide das wollen.
Des Weiteren bietet Tauwetter auch eine Selbsthilfegruppe für Partner_innen an.
Zusätzlich gibt es das Angebot zur Unterstützung von Gruppen, was jeweils auf die konkrete Situation abgestimmt wird.