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Anlaufstelle, für Männer* und TIN*, die in Kindheit, Jugend oder als Erwachsene sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren

© 2015 Tauwetter e.V.

Es gibt eine Reihe von juristischen Schritten, die im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt möglich und unter Umständen sinnvoll sind.

Bei Allem gilt: wir sind keine Rechtsanwält*innen und können deshalb keine Rechtsberatung anbieten. Wir schildern lediglich unseren Kenntnisstand und niemand kann sich vor Gericht darauf berufen. Deshalb lieber frühzeitig anwaltlichen Rat einholen. Die Kosten für eine einfache Beratung sind meist nicht so hoch. Es gibt Beratungshilfe und es ist auch möglich sich beim Weißen Ring einen Beratungsgutschein zu holen.

Und eine zweite Warnung: Wir schaffen es leider nicht immer die neuesten juristischen Veränderungen mitzubekommen. Es kann also sein, dass Angaben auf unserer Website nicht dem neuesten Stand entsprechen. Ihr findet am Ende der jeweiligen Seite den Zeitpunkt unseres Wissenstandes.

Grundlegendes

Da ist als Erstes sicherlich die Strafanzeige. Wir haben dazu den Erfahrungsbericht eines Mannes, der diesen Weg gegangen ist, obwohl die Tat schon verjährt war. Im zweiten Teil der Seite geht es dann grundsätzlich um die in Frage kommenden Paragraphen, die Verjährung und den Punkt, welche Rechte habe ich überhaupt im Strafprozess?

Neben der strafrechtlichen Ebene gibt es auch die zivilrechtliche, d.h. das Einfordern von Schmerzensgeld und Schadensersatz vom Täter oder der Täterin.

Das Opferentschädigungsgesetz ist ein weiteres Gesetz, das für Einige Relevanz haben kann.

Einen ersten Überblick über diese drei Bereiche gibt eine Broschüre des Justizministeriums „Opferfibel".

Als ein Ergebnis des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnisse in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich" hat die Bundesregierung ein ergänzendes Hilfesystem - Fonds sexueller Missbrauch eingerichtet.

Berufsgenossenschaft / Unfallkasse

Falls die sexualisierte Gewalt in einer Einrichtung stattgefunden hat,kann es auch sein, dass die Berufsgenossenschaft / Unfallkasse dafür zuständig ist. Damit gibt es bisher erst wenige Erfahrungen, wir zitieren deshalb aus einen Bericht, den uns ein Aktivist dazu hat zukommen lassen:

"Auch in Kindergärten, Schulen, Internaten, Krankenhäusern und auf dem Weg dorthin findet sexueller Missbrauch statt. Dies kann - nur zum Beispiel - Kindern in der Betreuung, SchülerInnen im Sportunterricht oder PatientInnen bei der Behandlung passieren. Laut § 8 Abs. 1 SGB VII, handelt es sich dabei um einen Unfall, ein von außen auf den menschlichen Körper einwirkendes, unfreiwilliges Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Ein Arbeitsunfall ist dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer (oder Schüler, Kindergartenkind, Patient) im Rahmen seiner versicherungspflichtigen Tätigkeit einen Unfall erleidet. Somit sind Unfälle im Rahmen der Freizeitgestaltung, sportlicher Betätigung oder als Privatperson im Straßenverkehr nicht als Arbeitsunfall zu werten. Ereignet sich der sexuelle Missbrauch hingegen beispielsweise beim Schul- oder Kindergartenbesuch oder bei einem Krankenhausaufenthalt, kann es sich hierbei um einen Arbeitsunfall handeln. Deshalb sollte sexueller Missbrauch in Kindergärten, Schulen, Internaten, Krankenhäusern, ähnlichen Einrichtungen und auf dem Weg dorthin der zuständigen Unfallkasse formlos gemeldet werden. In jedem Bundesland gibt es eine Unfallkasse. Rechtlich handelt es sich dabei um eine Berufsgenossenschaft. Die Unfallkasse wird dann Formulare zusenden, mit der Bitte, genauere Angaben zu machen, behandelnde ÄrztInnen von der Schweigepflicht zu entbinden und unter anderem die Adressen und Aktenzeichen ermittelnder Behörden anzugeben. Dann prüft die Unfallkasse den Vorgang und fordert möglicherweise ein medizinisches oder psychologisches Gutachten an. Dies kann mehrere Monate dauern. Am Schluss kann es sein, dass die Unfallkasse für einen aus dem Missbrauch entstandenen Schaden Leistungen bewilligt wie eine Unfallrente oder Heilbehandlung."

Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe

Bei einigen juristischen Verfahren ist es sinnvoll, sich anwaltlich beraten oder sogar vertreten zu lassen. Wenn ich dafür nicht selbst das Geld habe, gibt es zwei Möglichkeiten.

Um Beratungshilfe zu erhalten muss ich als erstes alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Dann kann ich zum Anwalt oder einer Anwältin gehen und dort meine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darlegen und sagen, dass ich eine Beratungshilfe benötige. Dann wird ein Antrag auf Beratungshilfe ausgefüllt, Belege werden dazu geheftet. Spätestens vier Wochen nach der Beratung müssen diese beim Amtsgericht sein. Es geht auch andersherum, ich kann zum Amtsgericht gehen und dort einen Antrag ausfüllen und nach Bewilligung Beratung aufsuchen. Beratungshilfe bedeutet nicht das alles umsonst ist, die Person, die berät, darf von mir persönlich maximal 15€ verlangen.

Prozesskostenhilfe bekommt wer unterhalb eines bestimmten Einkommens liegt. Die aktuellen Zahlen weiß ein_e Anwält_in oder das Amtsgericht. Prozesskostenhilfe bedeutet, dass ein Teil oder die gesamten Kosten der eigenen anwaltlichen Vertretung übernommen werden. Aber wenn ich den Prozess verliere, und die Kosten des Gegners tragen muss, ist das davon nicht abgedeckt! Um Prozesskostenhilfe zu bekommen muss beim zuständigen Gericht ein Antrag gestellt werden, indem der umstrittene Sachverhalt und die Beweismittel dargelegt werden müssen, sowie die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse.

Für beide Unterstützungsformen gibt es eine Broschüre des Bundesjustizministeriums mit dem Titel „Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe".

Eltern als Täter(*innen)

Es gibt noch eine Reihe weiterer juristischer Punkte, die dann von Bedeutung sein können, wenn die Täter(*innen) die eigenen Eltern sind.

Normalerweise sind Kinder gegenüber Ihren Eltern z.B. im Pflegefall unterhaltspflichtig. Dagegen lässt sich vorgehen, aber das muss begründet sein.

Wenn ich nach bspw. einem Unfall nicht entscheidungsfähig bin (z.B. wegen eines Komas), werden Verwandte ersten Grades, und dazu zählen Eltern, gefragt, was mit mir passieren soll werden. Dies geschieht allerdings nur, wenn ich nicht verheiratet bin. Dann wird mein_e Partner_in gefragt. Ähnliches gilt u.U. wenn ich eine Betreuung bekommen soll. Hier hilft eine Vorsorgevollmacht und / oder eine Patientenverfügung.

Eltern werden gerne angesprochen, wenn ich alleinerziehend bin und sterbe. Sie bekommen oft problemlos das Sorgerecht für meine Kinder. Es gilt also rechtzeitig eine entsprechende notariell abgesicherte Erklärung zu verfassen, dass ich das nicht will, und festzulegen, wer das Sorgerecht bekommen soll.

Zusätzlich stehen die Eltern im Falle meines Todes ziemlich weit oben in der Erbfolge. So etwas sollte in einem Testament ausgeschlossen werden.

Für ein „Scheidungsrecht" von gewalttätigen Eltern

Es gibt also eine Reihe von Verflechtungen zwischen Eltern und Kindern, die gar nicht so einfach zu durchblicken und aufzulösen sind. Wir wissen z.B. selbst nicht, ob wir inzwischen eigentlich einen Überblick haben, oder ob in irgendwelchen Ecken irgendeines Gesetzbuches noch was schlummert. Wir fordern deshalb, dass es so etwas wie ein „Scheidungsrecht" für Kinder von Eltern geben sollte, die (sexualisierte) Gewalt ausgeübt haben.

Solange die Kinder minderjährig sind, kann das Jugendamt eingreifen und das Familiengericht den Eltern das Sorgerecht entziehen. Aber das ändert erst mal nichts an den Verpflichtungen, die erwachsene Kinder gegenüber ihren Eltern haben. Für jeden einzelnen Fall muss wieder angeführt werden, dass die Eltern sexualisierte Gewalt ausgeübt haben und deshalb eine Ausnahme beantragt wird. Und falls das Jugendamt nichts von der sexualisierten Gewalt erfahren hat, oder, falls es nicht zu einem Gerichtsurteil gekommen ist, dann ist es für mittlerweile erwachsene Betroffene schwierig alles durchzukämpfen.

Wir fordern deshalb, dass ein Verfahren eingeführt wird, mittels dessen festgestellt wird, was vorliegt und danach alle juristischen Verflechtungen aufgelöst sind. Die andern, emotionalen Verwicklungen mit den eigenen Eltern sind schon schwer genug zu bearbeiten.

Auf dem Betroffenenkongress „Aus unserer Sicht" 2010 wurde ein solches Verfahren als „Scheidungsrecht" von gewalttätigen Eltern bezeichnet. Der Runde Tisch konnte sich leider nicht dazu durchringen sich dieser Forderung anzuschließen.

Einen Vorschlag, wie so etwas juristisch umgesetzt werden könnte, haben wir gemacht, er ist hier zu finden.

Letzter Eintrag: 25.01.2024

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